
Der Testator kann seine letztwillige Verfügung ausdrücklich oder stillschweigend widerrufen. Mitunter kann aber auch die Errichtung einer neuen letztwilligen Verfügung eine gänzliche oder teilweise Aufhebung der früheren darstellen. Der Widerruf kann auch durch entsprechende Einwirkungen (Durchstreichen etc) auf das Testament erfolgen (§§ 713 ff ABGB). Die Beiziehung von Zeugen ist hiefür nicht erforderlich.
Unter gewissen Umständen wird ein Widerruf gesetzlich vermutet (§§ 724 ff ABGB). Demnach wird insbesondere der Widerruf jener letztwilligen Verfügungen vermutet, die vor Auflösung der Ehe (bzw der eingetragenen Partnerschaft oder der Lebensgemeinschaft) zu Lebzeiten des Verstorbenen errichtet wurden und den früheren Ehegatten (bzw eingetragenen Partner oder Lebensgefährten) betreffen. Dies trifft nicht zu, wenn der Verstorbene ausdrücklich das Gegenteil angeordnet hat. Gleiches gilt bei der Aufhebung der Abstammung oder dem Widerruf oder der Aufhebung der Adoption.
An die Voraussetzungen einer Lebensgemeinschaft (deren Wegfall auch zur vermuteten Aufhebung der letztwilligen Anordnung führen kann) sind gerade bei größerem Altersunterschied keine besonders hohen Anforderungen zu stellen (OGH 2 Ob 173/21m). Telefonate sind nach einer Trennung nicht ausreichend, um von einer Wiederaufnahme der Lebensgemeinschaft auszugehen (OGH 2 Ob 97/22m).
Zur Vermeidung von Missverständnissen sollte jeweils ganz klar dokumentiert werden, ob und gegebenenfalls welche letztwilligen Verfügungen weiterhin Bestand haben sollen. Dies ist auch insoweit anzuraten, als bei Zerstörung einer letztwilligen Verfügung frühere letztwillige Verfügungen wiederum Wirksamkeit erlangen könnten.