Bei jeder Verlassenschaft und auch jeder letztwilligen Anordnung ist in einem ersten Schritt zu prüfen, welches (nationale) Recht anwendbar ist. Das anwendbare Recht ist ganz entscheidend dafür, ob beispielsweise letztwillige Verfügungen wirksam errichtet wurden oder wie die gesetzliche Erbfolge strukturiert ist, ob es Pflichtteilsansprüche gibt etc.
Diese Prüfung erfolgt seit dem 17.8.2015 in Österreich nach der Europäischen Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO). Die EU-ErbVO knüpft bei einem Erbfall sowohl für die Zuständigkeit von Gerichten als auch für die Anwendung materiellen Erbrechts an jenen Staat an, in welchem der Verstorbene (Erblasser) im Todeszeitpunkt seinen so genannten gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art 4 und Art 21 Abs 1 EU-ErbVO).
Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände im Todeszeitpunkt eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem Staat, dessen Recht anzuwenden wäre, so unterliegt die Erbfolge dem Recht dieses anderen Staats (Art 21 Abs 2 EU-ErbVO). Hat ein Verstorbener beispielsweise die österreichische Staatsbürgerschaft, Zeit seines Lebens in Österreich gelebt oder enge Verbindungen dorthin und hat er seinen gewöhnlichen Aufenthalt (etwa aus gesundheitlichen Gründen) erst kürzlich in ein anderes Land verlegt, kann dies ein derartiger Fall sein, wo trotz des gewöhnlichen Aufenthalts im Ausland weiterhin österreichisches Recht Anwendung findet.
Jede Person kann aber auch eine ausdrückliche Rechtswahl treffen. Konkret kann angeordnet werden, dass für die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht des Staates gewählt wird, dem die Person im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt ihres Todes angehört (Art 22 EU-ErbVO). Übersiedelt daher beispielsweise eine Österreicherin dauerhaft nach Spanien, kann sie dennoch die Anwendbarkeit österreichischen Rechts für die Rechtsnachfolge von Todes wegen anordnen. Die wesentlichen materiellen Fragen richten sich nach dem anwendbaren Recht; dazu gehören auch so wichtige Bereiche wie die Erbfähigkeit, gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht. Es kann daher durchaus geboten und anzuraten sein, eine rechtswirksame Rechtswahl anzuordnen.
Aus österreichischer Sicht werden erbrechtliche Fragen im Verlassenschaftsverfahren ohne internationalen Bezug weiterhin nach österreichischem Recht beurteilt.