Die gesetzliche Erbfolge - Grundlagen (Nachkommen, Ehepartner, Vorfahren)

In der Praxis kommt es am häufigsten zur Anwendung der gesetzlichen Erbfolge (§§ 727 ff ABGB). Die gesetzliche Erbfolge tritt dann ein, wenn der/die Verstorbene keinen Erbvertrag abgeschlossen hat, kein Testament über die gesamte Verlassenschaft errichtet hat oder die berufenen Erben die Erbschaft nicht erlangen.

Das österreichische Erbrecht folgt bei der gesetzlichen Erbfolge dem so genannten Parentelensystem (§§ 731 ff ABGB). Dieses unterscheidet zwischen verschiedenen Linien.

Die erste Linie wird von den Nachkommen gebildet. Eine Unterscheidung zwischen ehelichen und außerehelichen Nachkommen besteht im österreichischen Erbrecht diesbezüglich nicht mehr. Die erste Linie besteht daher aus den Kindern des Verstorbenen und deren Nachkommen (§ 731 Abs 1 ABGB; weitere rechtliche Ausführungen zur ersten Linie finden sich unter §§ 732 ff ABGB).

Die zweite Linie setzt sich aus den Eltern des Verstorbenen und deren Nachkommen zusammen (§ 731 Abs 2 ABGB; weitere rechtliche Ausführungen zur zweiten Linie finden sich unter §§ 735 ff ABGB).

Die dritte Linie stellen die Großeltern des Verstorbenen und deren Nachkommen dar (§ 731 Abs 3 ABGB; weitere rechtliche Ausführungen zur dritten Linie finden sich unter §§ 738 ff ABGB).

Die vierte Linie wird schließlich von den Urgroßeltern des Verstorbenen gebildet. Hier besteht allerdings die Besonderheit, dass nur die zum Zeitpunkt des Erbanfalls noch lebenden Urgroßeltern, nicht aber ihre Nachkömmlinge berücksichtigt werden (§ 731 Abs 4 ABGB; weitere rechtliche Ausführungen zur vierten Linie finden sich unter §§ 741 ABGB).

Sind Kinder eines Verstorbenen vorverstorben, werden diese durch ihre jeweiligen Nachkommen zu gleichen Teilen repräsentiert. Dieses Repräsentations- bzw Eintrittsrecht findet auf die Linien 1, 2 und 3 Anwendung. Es geht immer „nach unten“ (dh zugunsten von Nachkommen, nicht jedoch von Vorfahren).

Beispiel

Ein (unverheirateter) Verstorbener hat zwei Söhne (Sohn 1 und Sohn 2) und eine Tochter. Sohn 1 lebt und hat seinerseits keine Nachkommen. Sohn 2 ist vorverstorben und hinterlässt die Enkelkinder EK 1 und EK 2. Die Tochter lebt und hat ihrerseits zwei Kinder (EK 3 und EK 4).

Nach der gesetzlichen Erbfolge erhalten der Sohn 1 und die Tochter jeweils ein Drittel. Der vorverstorbene Sohn 2 wird durch seine Kinder EK 1 und EK 2 repräsentiert. Diese teilen daher sein Drittel und erhalten jeweils ein Sechstel. Die Kinder der Tochter (EK 3 und EK 4) werden zu Lebzeiten der Tochter nicht berücksichtigt.

Neben Kindern des Verstorbenen und deren Nachkommen (erste Linie) erhält der mit dem Verstorbenen in aufrechter Ehe verheiratete Ehegatte (bzw eingetragene Partner) einen Erbteil von einem Drittel. Ein Unterschied zwischen Ehegatten und eingetragenen Partnern besteht nicht. Neben Eltern des Verstorbenen erhält der Ehegatte (bzw eingetragene Partner) zwei Drittel. In den übrigen Fällen ist der Ehegatte (bzw eingetragene Partner) zur Gänze gesetzlicher Erbe und verdrängt Geschwister und Großeltern des kinder- und elternlosen Verstorbenen (RV 668 BlgNR 25.GP 21). Für den Fall, dass ein Elternteil vorverstorben ist, fällt auch dessen Anteil dem Ehegatten (bzw dem eingetragenen Partner) zu (§ 744 ABGB).

Beispiel

In dem Beispiel war der Verstorbene im Zeitpunkt des Ablebens mit dem Ehegatten aufrecht verheiratet. Der Verstorbene hat eine Tochter, die ihrerseits zwei Kinder (dh aus Sicht des Verstorbenen Enkelkinder) hat. Der Ehegatte erbt neben dem Kind ein Drittel. Der Ehegatte erhält daher ein Drittel, die übrigen zwei Drittel gehen zugunsten der Tochter.

Beispiel

In dem Beispiel sind die Nachkommen vorverstorben und haben ihrerseits keine Nachkommen. Der Ehegatte erhält daher zwei Drittel, die Eltern des Verstorbenen ein Drittel. Sind die Eltern des Verstorbenen ihrerseits bereits verstorben, geht ihr Drittel aber nicht an Geschwister des Verstorbenen, sondern zur Gänze an den Ehegatten.

Beispiel

In dem Beispiel war der Verstorbene im Zeitpunkt des Ablebens mit dem Ehegatten aufrecht verheiratet. Der Ehegatte erhält daher ein Drittel. Die übrigen zwei Drittel teilen sich auf die drei Stämme zu gleichen Teilen auf. Sohn 1 und die Tochter erhalten daher je zwei Neuntel. Die zwei Neuntel des vorverstorbenen Sohnes 2 teilen sich auf EK 1 und EK 2 zu gleichen Teilen (dh mit je einem Neuntel) auf.

Das Erbrecht des Ehegatten (bzw eingetragenen Partners) besteht nur dann, wenn die Ehe (bzw die eingetragene Partnerschaft) im Ablebenszeitpunkt aufrecht ist. Ein geschiedener Ehegatte (bzw geschiedener eingetragener Partner) hat kein Erbrecht nach dem Verstorbenen. Je nach Regelung der Scheidungsfolgen kann aber auch gegen die Erben weiterhin ein Unterhaltsanspruch zugunsten des geschiedenen Ehegatten (bzw des eingetragenen Partners) aufrecht bestehen bleiben.

Dem Ehegatten oder eingetragenen Partner gebührt als gesetzliches Vorausvermächtnis das Recht, in der Ehe- oder Partnerschaftswohnung weiter zu wohnen und die zum ehelichen oder partnerschaftlichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen, soweit sie zu dessen Fortführung entsprechend der bisherigen Lebensverhältnisse erforderlich sind (§ 745 Abs 1 ABGB).

Zusätzlich hat der Ehegatte oder eingetragene Partner gegen die Verlassenschaft bzw die Erben bis zum Wert der Verlassenschaft einen Anspruch auf Unterhalt (nach den Grundsätzen des § 94 ABGB oder des § 12 EPG), solange er nicht wieder eine Ehe oder eingetragene Partnerschaft eingeht. Auf diesen Anspruch ist allerdings alles anzurechnen, was der Ehegatte oder eingetragene Partner nach dem Verstorbenen durch vertragliche oder letztwillige Zuwendung, als gesetzlichen Erbteil, als Pflichtteil oder durch öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Leistung erhält, ebenso eigenes Vermögen des Ehegatten oder eingetragenen Partners sowie Erträgnisse einer von ihm tatsächlich ausgeübten oder einer solchen Erwerbstätigkeit, die von ihm den Umständen nach erwartet werden kann. Dieser Unterhaltsanspruch ist allerdings nicht in selbiger Höhe anzusetzen wie der ursprüngliche gegen den Verstorbenen, sondern unter Berücksichtigung angemessener Bedürfnisse und der Kräfte des Nachlasses. Eine vergleichbare Regelung sieht § 233 ABGB für den Unterhaltsanspruch von Kindern vor.